© VG BILD-KUNST 2009
Schaut die Lilien auf dem Feld an,
wie sie wachsen:
sie arbeiten nicht, auch spinnen sie nicht.
Ich sage euch, dass selbst Salomo
in seiner ganzen Herrlichkeit
nicht so gekleidet gewesen ist,
wie auch nur eine von ihnen.
MATTHÄUS 6, 25-34
Beate Rothensee
Die Lilien auf dem Felde
Der Titel der Arbeitgeht zurück auf das Evangelium des Matthäus, Kap. 6.
Die Arbeit versteht sich als melancholisch-ironische Paraphrase des biblischen Zitates. Im Bibeltext geht es um das Vertrauen in den himmlischen Vater, der für die leiblichen Notwendigkeiten der Menschen sorgen werde, wenn diese sich ganz der spirituellen Suche hingeben.
Natürlich stellt sich die Frage, wie weit ein solch ungebrochenes Gottvertrauen in die heutige Gesellschaft passt: Arbeitslosigkeit, neue Eigenverantwortlichkeit für die Altersversorgung, Klimawandel u. ä. lösen Verunsicherungen und Ängste aus; das Vertrauen in einen himmlischen Vater scheint angesichts der Lage nicht mehr so ganz angemessen.
Beate Rothensee begegnet der biblischen Symbolik mit gehöriger Skepsis, freilich auch mit Augenzwinkern und einer Spur sehnsuchtsvoller Melancholie:
Die Arbeit verwendet zwei Symbole aus der christlich-humanistischen Tradition: das Olivenöl und die Lilie.
Blumen gelten in der christlichen Ikonografie als Symbol für die Vergänglichkeit, die Lilie im Besonderen ist Symbol der Reinheit, Unschuld und Frömmigkeit.
Der Ölbaum steht für Leben, Frieden und Versöhnung. Sein Öl spendet den Menschen zu biblischen Zeiten Licht, Wärme und Nahrung und dient zur Salbung und Heilung von Wunden.
Diese biblischen Symbole werden in der Installation ironisch gebrochen: In beinahe preußischer Strenge, in Reihen von sieben mal sieben leeren Olivenölflaschen vom Discounter, drängen sich 49 künstliche Lilien auf einer Spiegelfläche .
Aus der unschuldigen edlen Lilie ist eine in China serienmäßig produzierte, ihrer Individualität beraubte, und bei McGeiz kartonweise verkaufte Plastikblume geworden (Preisgruppe C, wie das Scanlabel signalisiert).
Nicht anders der Ölbaum, vormals Ausdruck für Leben, Frieden und Versöhnung: In der Installation ringt er auf fast anrührende Weise um eine neue Existenzform und die Wiedererlangung seiner alten Symbolkraft. Er bietet in der Gestalt einer stapelbaren und din-konformen Aldi-Ölflasche (letzteres Hinweis auf leibliche Notwendigkeiten und wirtschaftliche Knappheit) der biblischen Blume eine zumindest vorläufige Bleibe.
Aber trotz alledem: unbeirrt in ihrer immer noch klassischen Schönheit scheinen die Lilien das ihnen zugeschriebene Ideal verteidigen zu wollen.
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